Impfung

Von | 10. Dezember 2020

BARMHERZIGKEIT
KANN WIE EINE IMPFUNG SEIN

Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!

 

LEITWORT (JAHRESLOSUNG) FÜR 2021

Lukas-Evangelium  6, 36

‚Erbarme dich unser‘ – ist häufig genannter Ruf bei Begegnungen mit Jesus, die auch in der gottesdienstlichen Liturgie ihren Platz hat. Es ist die Selbsterkenntnis eigener Bedürftigkeit, die solchem Ruf oder auch Schrei vorangeht. Bedürftigkeit ist nicht Unterwürfigkeit,  sondern Kennzeichen von Souveränität und Selbstachtung.

Im Zusammenhang solcher Begegnungen ist häufig die Frage Jesu überliefert: ‚Was willst du, das ich dir tun soll‘. Das ist eine Frage in Augenhöhe und richtet sich an die Selbst(be)achtung.

Barmherzigkeit ist also ein Beziehungs-Ereignis. In der spirituellen Bindung an ‚Gott‘ hat Barmherzigkeit ihre Existenz. Das nennen wir ‚Segen‘. Jeder Segen ist barmherziges Handeln und jedes barmherzige Handeln ist Segen!

Der barmherzige Umgang miteinander setzt also den Segen Gottes gleichsam frei, um wie ein Ferment alles Handeln zu durchziehen. ‚Wo zwei oder drei (und ihr Handeln) in meinem Namen versammelt sind, da bin ich (ist Segen) wie eine Kraft mitten unter euch präsent‘ – so meint es Matthäus, wenn er Jesus das sagen lässt.

Wie Saat aus einem gut bestellten Acker sprießt, so wird das hervor sprießen, was ein solches Miteinander stützt: Liebe, Gerechtigkeit, Freude an Vielfältigkeit und Ideen, alles Ausdrucksformen von Barmherzigkeit.

Das  Bedingungsgefüge von Barmherzigkeit und Segen durchströmt alle Texte der Bibel, wo es darum geht, sich Menschen in Not zuzuwenden. Und sie weisen noch einen weiteren Aspekt von ‚Segens-Beziehung‘ auf. Beim Propheten Jesaja 58, 6-9 (und anderen Stellen) heißt es so:


6 Das ist eine Lebensgestaltung, wie ich sie liebe:
Die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen,

7 an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.

8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.

9 Wenn du dann rufst, wird der Herr sagen: Hier bin ich!


Barmherziges Handeln steht also im Zeichen von ‚Reziprozität‘, einer Wechselbeziehung, die ins Gleichgewicht führt. Barmherziges Handeln in dieser ‚Kopplung‘ führt nie ins Burn-Out, sondern immer ins Gleichgewicht.

So ist das diesjährige ‚Leitwort‘ sinnfällig wie Überschrift zu einem ‚Empathie‘-Gleichnis, das Jesus erzählt:


36 Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist.

37 Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden.

38 Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß wird man euch beschenken; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird auch euch zugeteilt werden.

39 Er gebrauchte auch einen Vergleich und sagte: Kann ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?

40 Der Jünger steht nicht über seinem Meister; jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein.

41 Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?

42 Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Bruder, lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen!, während du den Balken in deinem eigenen Auge nicht siehst? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.

Lukas 6, 36-42


‚Empathie‘ meint die Fähigkeit, sich selbst und den anderen Menschen auf gleicher Ebene zu erkennen.1) Barmherzig sein ist intimes Geschehen, das schon in dem Hinweis ‚wie euer Vater‘ anklingt. Es ist viel mehr als das kalkulierende ‚Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!Barmherzigkeit setzt ‚Engel-Kräfte‘ frei. Die findet ihr unten aufgeführt.

Dieses Foto verdeutlicht das Verhältnis von Barmherzigkeit und ‚Engel-Kräften‘. Je länger die Kerze brennt,desto mehr bildet sich ein Engel-Bild.  Wenn wir Liebe, Licht, Aufmerksamkeit und was sonst stützt und stärkt, gerade bei Bedürftigkeit ‚barmherzig‘ geben, werden wir zu engelhaften Wesen.

Dieses Handeln kennt kein ‚Oben‘ und kein ’Unten‘. Barmherzigkeit ist ein Beziehungsereignis!

Barmherzigkeit ist ein Beziehungsereignis.
Konkret! Und wie bitte?


25 Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?

26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort?

27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.

28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben.

29 Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?

30 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen.

31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter.

32 Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter.

33 Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war (Samariter waren sprirituell ausgerichtete Menschen, die die jüdischen Vorschriften als Bedingung für die Beziehung zu Gott ablehnten) . Als er ihn sah, hatte er Mitleid, 

34 ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn.

35 Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.


Begleitender Segen kann auch so aussehen

36 Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?

37 Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!

Lukas10, 25-37


Das Gleichnis vom ‚Barmherzigen Samariter‘ wird als eine Art von ‚Handlungsanweisung’ angesehen, wie Barmherzigkeit geschieht. Es ist interessant, dass diese ‚Anweisung‘ einerseits Antwort auf eine sehr tiefsinnige Lebens-Frage ist und andererseits unmissverständlich auf die eigene Existenz verweist: Wem bist du Nächster?

Geh! Und handle ebenso‘. Dieser eindeutige Hinweis an den ‚Lehrer des Gesetzes‘ (!) hat über Jahrtausende bewegt und die Vielfältigkeit von Handlungsfeldern ausgeleuchtet.

Geh! Und handle ebenso!
Entdeckt selbst, wo ihr Nächste mit ‚barmherzigem Werk‘ sein könnt. Bei all den Herausforderungen, vor die wir im Jahr 2021 gestellt sind, brauchen wir Kräfte, die ermutigen und heilen.  Der Theologe Fulbert Steffensky spricht gern von ‚Hoffnungs-Verleihanstalt‘. Wenigstens ‚verleihen‘ könnten wir, was wir vom ‚Vater‘ haben und erkannt haben.

Natürlich hoffen wir in diesem Jahr sehr auf einen medizinisch wirksamen Impfstoff.  Aber wir brauchen auch Heilung für unser Miteinander.

Kann Barmherzigkeit vielleicht auch wie Impfstoff für die Seele sein? Wenn wir uns gegen pathogene Viren impfen lassen, werden die Widerstandskräfte gestärkt. Ich denke wirklich, dass eine gestärkte Sensibilität für Barmherzigkeit  seelischen ‚Verseuchungen‘ entgegenwirken kann.  Egoismus, Gleichgültigkeit, Schuldzuweisungen, Erniedrigungen, Beleidigungen, Verleumdungen, Hetze, Hass verlieren ihren zerstörerischen Einfluss !


Heute

In trauernde Augen
ein Lächeln pflanzen,
dem Quell guter Worte
Durchlass schaffen,
vor tastenden Füßen
Steine entfernen,
Geängstete
über Brücken geleiten,

in die Furchen des Tages
Hoffnung säen,
mit dem Hungernden
das Feld bestellen,
der Faust die geöffnete Hand hinhalten.

Christa Peikert-Flaspöhler
Gedichte, Lahn-Verlag


1) Macken

Euer

Grundsätze und Grundlagen Diakonie / Caritas
könnt ihr hier nachlesen *

Aus den Hinweisen aus Matthäus 25 wurden die sieben leiblichen und die sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit entwickelt (in eigener Formulierung):

Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit:

  • Hungernden Nahrung geben
  • Durstigen zu trinken geben
  • Unbekleideten Kleidung geben
  • Fremden Schutz geben
  • Gefangene begleiten
  • Kranke besuchen
  • Tote bestatten.

Die sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit (‚Engel-Kräfte‘):

  • Orientierungslosen zeigen, was sie falsch gemacht haben
  • Unwissende über Gott und Welt belehren
  • Zweifelnden den Weg weisen
  • Traurige, Deprimierte und Trauernde trösten
  • Anstrengende, Lästige mit Geduld ertragen
  • Beleidigenden vergeben
  • Für Tote und Lebende bei Gott eintreten

Neue Werke der Barmherzigkeit
Bischof Joachim Wanke (kath), Erfurt

  • Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu …
  • Ich höre dir zu …
  • Ich rede gut über dich …
  • Ich gehe ein Stück mit dir ….
  • Ich teile mit dir ….
  • Ich besuche dich ….
  • Ich bete für dich ….

* Aus  www.evangelische-religion.de

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