Ehrentitel

Von | 15. Dezember 2018

BEDÜRFTIGKEIT IN AUGENHÖHE

Bedürftigkeit: ‚Ehren-Titel’ einer einzigartigen Beziehung

Betrachtung zum Weihnachtsfest 2018


‚Nie hat ein Mensch nach irgendetwas so sehr begehrt, wie ‚Gott’ danach begehrt, beim Menschen zu sein’. Dieser Satz von Meister Eckhart* ist Schlüssel zum Verständnis von Weihnachten. ‚Gott’ selbst ‚Bedürftiger’, der begehrt? Ein Gedanke, der jedes ‚Gottes’bild von Macht, Weisung und Forderung auf den Kopf stellt.

Unzählige Stellen in der Bibel drücken diese Bedürftigkeit, dieses ‚bettelnde’ Werben um Beziehung aus. Da braucht es entsprechende Bilder. So wird in der Weihnachtserzählung das Geheimnis des werbenden ‚Gottes’ gefeiert. Er sucht Mitliebende. Unübersehbare Bedürftigkeit durch ein Kind! Das ist seine ‚Existenz-Sicherung’!

Unsere Bedürftigkeit ist existenziell und menschliches ‚Kennzeichen’. Mit der Durchtrennung der Nabelschnur nach der Geburt ist sie nicht abgeschnitten. Sie lebt in uns und ist Sehnsuchts-‚Motor’. Wo sich Gottes Sehnsucht und unsere nach Nähe und Geborgenheit ‚vereinigen’, entsteht Souveränität und Freiheit.

Sich daran zu erinnern, ist ein Bewusstseinsprozess. Souveränität und Freiheit werden zu Merkmalen wahrer Existenz. So stehen wir weniger in Gefahr, ‚Erfüllung’ in Unersättlichkeit und Abhängigkeit zu suchen.

Diesen Prozess hat Jesus durchlebt und sein Leben ist so zu einem Beispiel ‚wahren’ Lebens geworden. Was in Jesus von Nazareth geglückt ist, soll überall ‚wahr’ werden und nähren. Überall! Auch in unseren vielfältigen Beziehungen, den gewachsenen und den zugemuteten. Sie werden tief und wahrhaftig, wenn wir uns in unserer Bedürftigkeit zeigen und uns ihrer nicht schämen. Bedürftigkeit zeigt sich solidarisch in ‚Augenhöhe’.

In Jesus, dem Sohn von Maria und Josef hat ‚Gott’ einen Menschen gefunden, mit dem er gleichsam ‚einig’ wurde. Sie sind in ihrem Begehren handlungseinig geworden. Der bedürftige ‚Gott’ und der bedürftige Mensch bilden eine Einheit. Im ‚diakonischen Gleichnis’ bei Matthäus ** wird diese Einheit beeindruckend. Unsere Bedürftigkeit wird zur Ich-Bedürftigkeit ‚Gottes’: Ich war hungrig, nackt, gefangen …. So ist Bedürftigkeit Zeichen einer einzigartigen Beziehung und ‚Ehren’-Titel.

Weihnachten ist ‚Erinnerungs-Fest’ an diese Vereinigung und damit konkrete ‚Sorge für die Seele’.

Etwa hundert Jahre vor ‚Meister Eckart’ hat Franz von Assisi*** dieses Bild vom begehrenden Gott für sich neu entdeckt. So ‚erfand’ er das ‚Krippenspiel’. Die Krippe als Zeichen der Begegnung von Gottes und der Menschen ‚Bedürftigkeit’ inszenierte er und heute sind unsere Gottesdienste zum Weihnachtsfest ohne Krippenspiel kaum vorstellbar.

In diesem Sinne uns allen gesegnete Weihnachten und befriedende Erfüllung unserer Bedürftigkeit – auch und besonders, wenn wir das neue Jahr ‚betreten’ …

*      Meister Eckart (Mystiker) 1260-1305
**    Matthäus-Evangelium 25, 31-46
***  Franz v. Assisi (Mönch) 1181-1226


ZUM NACHSINNEN

IMMER BIST DU ES

Ehe wir Dich suchten,
warst Du da.
Bevor wir Dich ‚Vater’ riefen,
hast du uns als Mutter umsorgt.

Beugten wir die Knie vor Dir, dem Herrn,
kamst Du als Bruder entgegen.
Beschworen wir Deine Brüderlichkeit,
erging die Antwort schwesterlich.

Immer bist Du es,
der vorher war,
allwärts bist Du es,
der begegnet.

Kurt Marti

 

BEGEGNUNG

Ich habe gerufen.
‚Gott’: Da bist du ja!
Ich: Ich brauche dich.
‚Gott’: Das trifft sich gut.
Ich dich auch!

ZU WEIHNACHTS-ZEIT


KONTAKT