Wir bauen einen ‚LBO‘
Als etwa 12jähriger verbrachte ich mit meinen Geschwistern Anfang der 50er Jahre die Sommerferien auf einem kleinen Bauernhof. Brot und der traditionelle Butterkuchen wurden draußen in einem Lehm-Ofen gebacken. Die Prozedur von Anheizen, Entfernung der Glut und das Hineinschieben der Brote habe ich noch gut vor Augen – und vor allen Dingen habe ich diesen unvergleichlichen Geruch frisch gebackenen Brotes in Erinnerung.
Heute können wir in Museums-Dörfern zum Beispiel das Backen in solchen Öfen erleben.
Erinnerungen prägen und dann gibt es Anstöße, die dem Bewusstsein auf die Beine helfen. So reift der Entschluss: Wir bauen in unserem Garten einen Lehmbackofen! Bei einem Familien-Treffen im Sommer 2005 war auf einem Schild mitten in unwegsamem Gebüsch zu lesen: Hier entsteht unser Lehmbackofen. Erwartung auf der einen, Skepsis auf der anderen Seite.
Die Idee war geboren und öffentlich gemacht. Bis zum ersten ‚Spatenstich’ in wörtlichem Sinne vergingen fast zwei Jahre. Das Internet gibt eine Fülle von Informationen und wir setzen uns mit unterschiedlichen Bauweisen auseinander.
Eine gute Instruktion finden wir bei Jana Spitzer/Reiner Dittrich ‚Der Lehmbackofen – Bauanleitung und Backideen‘.
Fast anmutig die Abbildung eines Lehmbackofens – immer taucht das Kürzel LBO auf -, der mehrfach als erste Schicht des Gewölbes dicht an dicht liegende Lehmkugeln aufweist. Wir stellen es uns vor, dass Kinder aus Familie und Freundeskreis solche Kugeln formen würden. Eine fröhliche und lachende Gemeinschaft haben wir vor Augen.
Das Bild hält uns fest und wir das Bild. Keine andere Baukonstruktion kann diese verdrängen. In unserem Umfeld gibt es viele Hersteller von Ziegeln und Baumaterialien. Als wir nach Lehm-Material fragen, werden wir zum Beispiel auf ein abseits liegendes Gelände verwiesen, wo unterschiedliche Reste von Lehmteilen lagerten, die wir ‚einfach aufweichen‘ könnten …
Überzeugend ist das nicht. Dann entdecken wir ganz in unserer Nähe einen Dachdecker-Betrieb, der sich auf die Herstellung von Lehm-Wänden beim Hausbau spezialisiert hat. Die Begegnung dort ist der absolute Motivations-Schub. Der Fachmann ist angetan von unserem Vorhaben, hat Ahnung, gibt uns wertvolle Tipps und – er hat das erforderliche Material. Dazu gehören auch geformte Lehm-Steine.
Im Frühjahr 2007 geschieht der erste Spatenstich. Es gilt Gräben für das Fundament herzustellen. Manche quer liegende Wurzel der umstehenden Bäume muss weichen. Zum ersten Mal in unserem Leben stehen wir vor der Aufgabe, eine Verschalung herzustellen, Fundamente zu ‚gießen’, den Ofen später tragende Seitenwände zu mauern und darauf ruhend – wieder muss eine Verschalung ‚gezimmert’ werden – die Beton-Platte zu gießen.
Mit Blick auf die spätere Belastung empfiehlt uns ein befreundeter Fachmann, eine ‚Bewehrung’ einzubringen. Entsprechendes Material und eine Beton-Mischmaschine können wir über ihn beziehen. So ist es eigent-lich immer, dass es in den entscheidenden Phasen solche kleinen und großen Hilfen gibt.
Bewegend, das fertige Produkt vor Augen zu haben! Hier und da nicht so ganz im Lot, dennoch ein ansehnliches Fundament. Unter der Platte ist jetzt ein Raum entstanden, um Holz zu lagern. Ein großer Reiz, diesen schon einmal zu füllen ….
‚Wenn du einen Lehmbackofen bauen willst, brauchst du als erstes ein wetterfestes Dach’, ist in den einschlägigen Bauanleitungen zu lesen. Zu gern hätten wir schon angefangen, den eigentlichen Ofen zu bauen. Als aber bei Regenfällen sich Pfützen auf der Platte bilden, steht diese sofortige Maßnahme nicht mehr zur Diskussion.
Ein einfaches Schräg-Dach mit Überständen entsteht relativ schnell. Zunächst gibt es die Idee, das Dach mit Ziegeln zu belegen. Das ist nicht möglich, da dafür die Schräge nicht ausreicht. So entsteht ein mit Teerpappe abgedecktes Dach, hoch genug, mit ausreichend Raum für eine Ablage.
Der Durchlass für den Abzug gestaltet sich schwierig. Immer wieder gibt es undichte Stellen und Regenwasser läuft am Rohr herab. Mit einer Metall-Rosette und feuerfester Paste gelingt die Abdichtung.
Auf die Beton-Platte haben wir mit Klinker-Steinen eine Begrenzung gesetzt, die verhindern soll, dass die zu erstellende Sand-Form abrutscht. An die Stelle der späteren Ofen-Öffnung installieren wir eine Holzplatte.
Vor die erwähnten Klinker-Steine setzen wir jetzt im Handel erhältliche getrocknete Lehm-Steine, auf denen später die erste Lehmschicht für das Gewölbe ‚ruhen’ soll.
Ein Bauplatz in der Nachbarschaft ‚spendet’ den Sand für die ‚Negativ-Form’ des Gewölbes. Der mit Ton-Anteilen durchsetzte Sand eignet sich besonders gut dafür. Der gestaltete lang gezogene Sandhaufen macht die Größe des späteren Backofens erkennbar.
Jetzt können wir die ersten Säcke einer ‚feuerfesten’ Lehmmischung mit der fachlichen Kennzeichnung ‚Lehm-Unterputz (Art.Nr. 10.010 / 30 kg Sackware / Stroh 30mm / trocken ergibt 20 Liter Putzmörtel’ erwerben.
An einem Spät-Sommertag 2009 ist es endlich so weit. In einem Fass stellen wir die richtige Mischung her. Brauchfertige Konsistenz ergab sich aus diesem Test: Eine geknetete Kugel auf den Boden fallen gelassen darf sich nicht in Einzelteile auflösen.
Das war der große Spaß der Kinder, den Lehm-Brei mit den Füßen zu ‚ertreten’. Familien und Freunde kneten jetzt aus der Lehm-Mischung Kugel um Kugel, die die erste Lage des Gewölbes bilden. Die besondere Haltbarkeit dieser Konstruktion leuchtete auch ohne Kenntnis von Statik ein. Es ist ein bewegender Moment, als die ‚Grund’-Lage für das Gewölbe geschaffen ist!
Schon nach zwei Tagen sind die Lehm-Kugeln so fest, dass weitere Lagen Lehm-Mischung aufgetragen werden können. Es folgen eine zusätzliche Stabilisierung mit einem Drahtgeflecht und weitere Lehm-Gemisch-Lagen. Stroh vom benachbarten Bauern vermischt mit einem Lehm-‚Brei’ bildet eine zusätzliche Wärme-Dämmungs-Schicht. Schließlich eine letzte Lage Lehm-Mischung, so dass sich eine Gewölbe-Decke von insgesamt 16 Zentimetern ergab. 25 Säcke je 30 kg Trockenmasse sind verarbeitet.
Es zeigt sich, dass eine Verkleidung der Seiten notwendig wird, um zu vermeiden, dass vom Wind gepeitschter Regen auf das Backofen-Gewölbe trifft.
Im Herbst und Winter 2009/2010 ruht alles. Der Wechsel von Frost und Wärme verbessert die Trocknung.
Im März 2010 steht der nächste spannende Moment des Vorhabens bevor: Nach Entfernen der stützenden Sandform soll sich die Haltbarkeit des Gewölbes zeigen.
Welch’ ein Augenblick, als die erste Kontur des Kugel-Gewölbes sichtbar wird! Keine Risse, kein Absacken! Wir erinnern uns an den schmunzelnden Lehmbau-Fachmann auf die Frage: ‚ … und wenn alles zusammenbricht?‘ Er: ‚Dann alles in den Eimer, Wasser drauf – und das Ganze noch einmal!‘
Ein Erfolgs-Erlebnis der besonderen Art! Wir sind dankbar. Das drückt sich auch so aus: Das jüngste Familien-Mitglied kriecht vertrauensvoll in den Backofen, um das Gewölbe von den Sandresten frei zu fegen.
Eine nach Maß gefertigte, geschmiedete Tür verschließt den Ofen . Ein kleines entfachtes Feuer bringt den Beweis: Der Ofen hat einen guten ‚Zug‚ und erste Rauch-Spuren nähren die Fantasie … Der Duft frisch gebackenen Brotes ist vorerst noch von der Erinnerung gespeist – aber bald …
Jan-Peter Wilckens
Im Jahre 2010
Der Duft frisch gebackenen Brotes ist vorerst noch von der Erinnerung gespeist – aber bald …
So endete der Bericht vom Bau-Prozess, den ich im Jahr 2010 schrieb.
Inzwischen gibt es Erfahrungen.
Im Juni 2010 – der große Tag: Fast drei Stunden ist der Ofen ‚unter Feuer‘. Die Gradzahl auf dem Back-Thermometer steigt und der Innenraum des LBO wird immer heller. Als die letzten Rußpartikel an der Decke verbrannt sind – sicherer Hinweis, dass die ‚Betriebstemperatur‘ erreicht ist – wird die Glut wird aus dem Ofen genommen. Die mit den unterschiedlichen Teigen gefüllten Kasten-Formen, auch Bleche mit geformten Brötchen füllen jetzt den Back-Raum. Um die Bildung einer Kruste zu unterstützen, sprühe ich mit einer Druckspritze (Garten-Zubehör-Handel) Wasser in den gefüllten heißen Ofen, das sich sofort in einer Dampfwolke verteilt. Sofort schließe ich den Ofen.
Gespannte Erwartung: Nach bereits einer halben Stunde sind die Brötchen durchgebacken und nach einer weiteren Dreiviertelstunde Backzeit verströmen die Brote ihren unvergleichlichen Duft ….
Noch lange speichert der Lehmbackofen Restwärme, die ausreicht, um zum Beispiel Apfelscheiben zu trocknen. Unser LBO lädt zum Experimentieren ein!
Es wurden noch zwei weitere Lehmschichten und eine weitere Stroh-Dämmung aufgebracht. Jetzt ist der Ofen bei 300° Innentemperatur außen allenfalls handwarm.
Bei der ersten Lehm-Schicht aus ‚Kugeln‘ habe ich es versäumt, zunächst eine durchgehende Lehmschicht auf die Form zu bringen und in diese die Kugeln zu drücken. Allmählich lösen sich jetzt einige Kugeln, weil sie nicht genug Verbindung haben. Dadurch ist an der Decke im Back-Raum ein schönes ‚Waben-Muster‘ entstanden.
Links oben ist das Waben-Muster gut zu erkennen,
das sich im Laufe der Jahre erweitert hat.
Das ist aber kein Wärme-Speicher- oder Stabilitäts-Problem, da ich eine weitere Schicht aufbringen konnte …
Wichtig wurde eine zusätzliche Wärme-Dämmung der Bodenplatte. Unmittelbar an die Unterseite der Beton-Platte haben wir eine 20 cm dicke Steinwoll-Schicht über einer Holzverschalung angebracht.
Als sehr vorteilhaft erweist sich der Raum zwischen Ofen und Dach. Er eignet sich hervorragend zum ‚Gehen-Lassen’ der Brote, die dann direkt in den Ofen geschoben werden können, ohne längere Zeit unmittelbar mit kühlerer Außentemperatur in Berührung zu kommen.
Inzwischen gibt es die Erfahrung, wie lange an welcher Stelle des Ofens die Brote eingeschoben sein dürfen, um dann das Erlebnis duftender Brote zu haben.
Jan-Peter Wilckens.
Im Jahre 2014