HAUCH DES LEBENS
19 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
Johannes-Evangelium 20, 19-22
In einer Pfingstpredigt wird ein Erlebnis gegenwärtig, das mich schon als Kind faszinierte und mich vor wenigen Tagen erneut berührte. An unserem Küchenfenster treffen sich in diesen Tagen mit Einbruch der Dunkelheit angelockt durch das Lampen-Licht aus der Erde geschlüpfte Maikäfer. Drei dieser Käfer habe ich über Nacht in einem Glas mit üppigem Blattgrün gesetzt, um sie am nächsten Morgen unseren Enkelkindern zu zeigen.
Wie erstarrt liegen die Käfer auf meiner Hand und ich erinnere mich, wie wir die Käfer früher ‚zum Leben erweckten‘. Ganz behutsam hauche ich sie mit meinem warmen Atem an und sofort regen sie sich, werden lebendig und krabbeln an meinen Armen hoch. Einen Käfer setze ich mir auf die Nase. Großes Staunen der Kinder, die sich nun auch trauen, die Käfer behutsam zu berühren. Die werden immer lebendiger. Ich strecke meinen Arm nach oben, die Käffer erklimmen den höchsten Punkt – meinen Zeigefinger. Dort verharren sie einen Moment, entfalten ihre Flügel und entschwinden schnell in den Wipfel einer Birke. Sie erleben den Aufbruch in die Käfer-Grenzenlosigkeit.
Ein wunderbares Bild für das pfingstliche Geschehen, das ja in seinen überlieferten Bildern heute neu verstanden werden muss. Der obengenannte Textabschnitt aus dem Johannes-Evangelium mit dem Symbol des ‚Anhauchens‘ bekommt durch das geschilderte Erlebnis eine Verständnis-‚Dynamik‘.
Wir kennen ja durchaus solche Starre, die festhält, gefangen hält als Reaktionsbildung auf Unerhörtes, Unerträgliches und Angst. Was bringt uns in die Lebendigkeit?
Ein ‚Hauch‘? Eine behutsame Berührung, die uns zurückbringt, was an Lebendigkeit in uns ist und neu geweckt werden möchte? Eine behutsame Berührung, die das Vertrauen in Leben und Handlungsfähigkeit stärkt? Eine Berührung, die Erinnerung weckt? ‚In den dunklen tiefen Gängen der Vergangenheit ein Hauch Erinnerung zieht durch das Labyrinth der Zeit‘, sang Udo Lindenberg im Jahr 1972.
Durch solche Berührung – ein Wort, eine Geste, auch eine Erinnerung – wird unsere Person vom Charakter Gottes geprägt. Solches ‚Anhauchen‘ bewirkt in uns Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Integrität und Selbstbeherrschung, in einer Weise, wie wir selbst es nicht tun könnten. So beschreibt es Paulus in seinem Brief an die Galater (5,22-33)
Wir sind nicht aufgefordert, lieb, nett und freundlich zu sein, sondern der ‚Geist‘ motiviert uns dazu, uns im Vertrauen dieser Kraft zu überlassen und entsprechend zu handeln. Dann kommt der Rest von alleine. Das bedeutet ‚im Geist leben‘ und ‚mit dem Geist erfüllt zu sein‘. Der ‚Heilige Geist‘ ermutigt, in den ausweglos erscheinenden Situationen zu wachsen. Das ist der ‚Hauch‘, der auf die Beine bringt, der Energien weckt, unsere ‚Flügel‘ zu entfalten, um aus Enge (Angst) in die Freiheit des Handelns zu gelangen.
Die Themen und Impulse auf meiner Homepage möchten sich auch als solchen ‚Hauch‘ verstehen.