Im Profanen das Heilige erkennen …
Fast regelmäßig zu den großen christlichen Festen sind es die Medien, die mit spektakulärer Berichterstattung Sensationelles zu berichten wissen. Auslöser sind häufig Untersuchungen und Vermutungen zu bildhaften Erzählungen aus der Bibel.
So auch jetzt. Ein amerikanischer Schriftsteller beschreibt das Liebes-Leben Jesu nach seinen Vorstellungen und der Vatikan reagiert, dieses Buch nicht zu kaufen. Dabei ist das alles nicht neu. Und die BILD-Zeitung sprang auf und titelt: ‚Darf das Fernsehen knutschenden Jesus zeigen?‘
Medienwirksam wird Spannung zwischen Heiligem und Profanem – profan (lat) ‚vor dem heiligen Bezirk liegend‘ – erzeugt. Und es schwingen sich ebenso medienwirksam auf, die meinen, das ‚Heilige‘ schützen zu müssen.
Sicher wird zu Recht eine Gesellschaft in Frage gestellt, der nichts mehr ‚heilig‘ zu sein scheint. Hier allerdings wird übersehen, dass es gerade Jesus war, der ganz profane Zusammenhänge in den Dienst des ‚Heiligen‘ stellte.
Seine Bilder, seine Taten bieten da beredte Beispiele:
# Das Weizenkorn in der Erde als Symbol für die Kraft des Göttlichen in uns.
# Einen Brei aus Speichel und Straßenstaub vermengt einem Erblindeten auf die matten Augen zu streichen, wird diesem ein fühlbares Zeichen heilender Nähe.
Das Heilige in profaner Gestaltung
Und dieser Jesus, der in profanem Geschehen Gleichnisse unseres Lebens entdeckte und lebte – dieser Jesus soll nicht geliebt, keine sexuelle Beziehung gelebt haben?
Den berichtenden Evangelisten war dieser Tatbestand – aus welchen Gründen auch immer – nicht wichtig, wenn sie auch an verschiedenen Stellen durchaus Hinweise auf Erotisches geben und es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass wir uns zwar an die Schar männlicher Begleitung Jesu gewöhnt haben, aber es ebenso hinnehmen, dass Frauen an den entscheidenden Weg-Punkten Jesu ohne männliche Präsenz stehen.
Mir ist es in der Gestaltung meines Lebens sehr wohl von Bedeutung, in Jesus einen Menschen sehen zu dürfen, der ‚mit beiden Füßen auf der Erde‘ stand, der nicht vergeistigt abgehoben seinen Weg ging. Es ist für mich von Bedeutung, wie dieser Mensch die zentralen Fragen seines Lebens bewältigte. Sein Vertrauen in die unmittelbare Wirksamkeit einer Kraft, die er ‚Vater‘ nennt, ist für mich entscheidend.
Das Vertrauen in diese Kraft macht ihn doch zum Beispiel in der Bewältigung von Entscheidungen, von inneren und äußeren Anfechtungen, von Auseinandersetzungen, von Angst und Lebens-Bedrohung und in der Gestaltung seiner Beziehungen, auch seiner Liebesbeziehung! In diesem Vertrauen lebte er seine kontemplative Seite und das pralle Leben.
Wer hier trennt und seine Liebe zum prallen Leben klein redet zugunsten einer vergeistigten Asket-Mentalität, der tut diesem Jesus Unrecht und tut allen Unrecht, die in ihrem Leben diese Balance um der eigenen Wahrhaftigkeit willen suchen.
Dieses Vertrauen hat diesen Menschen über die Grenzen hinaus getragen und die Berichte von Überwältigung des Todes und die Auferstehung sind für mich unter diesem Aspekt als Bilder glaubhaft.
Für manche ist es Not, dass diese Bilder als ‚heilige‘ unantastbare von der Profanität des Lebens abgekoppelte Realität absolut gesetzt wurden. Wo Menschen solche Bilder, weil der Bezug zum realen Leben fehlt, so nicht nachzuvollziehen bereit sind und sie entmystifizierend in Frage stellen und neu interpretieren, meldet sich die Institution Kirche fast ängstlich vermeidend. Und dann mag gelten: Vor lauter institutioneller Kirche ist die Lebendigkeit Gottes nicht mehr zu sehen!
So halte ich dafür: Jesus hat geliebt. Jesus hat geküsst. Jesus hat seine Beziehungen unter der Kraft des oben beschriebenen Vertrauens gestaltet. Nur schade, dass die Bibel uns diese Seite in Direktheit vorenthält.
Jede Profanität unseres Lebens enthält aber auch heute den Hinweis auf das Heilige in unserem Leben!