2.798.208.000 – ? mal
22. Februar 2014
2.798.208.000 mal etwa hat mein Herz bis zum meinem 76. Geburtstag heute geschlagen! Am 31. Januar hatte ich wegen einer Infektion bei einer Herzuntersuchung mein Herz über einen Verstärker schlagen hören. Fasziniert angesichts meines bevorstehenden Geburtstages am heutigen Tage hatte ich errechnet, dass mein Herz so häufig geschlagen haben wird und alle Funktionen meines Organismus verlässlich versorgt hat. Alle entwickelten Ideen, jeder durchgeführte ‚Hand-Schlag‘ eigener Lebensgestaltung und Hilfestellung unterschiedlichster Art waren so möglich. Das habe ich mir dankbar vor Augen geführt.
Nur eine knappe Woche später am 6. Februar liege ich wie ‚vom Blitz getroffen‘ bewusstlos am Boden. Vom ersten herbeigeeilten Menschen bis zur Notaufnahme ins Krankenhaus bin ich von purer Hilfe umgeben, die nur mir gilt. Ein ganzes Hilfeleistungs-System ist für mich da. Während der ‚Rettungsfahrt‘ bleibe ich von mich ermutigenden Menschen und einer Sicherheit gebenden Medizin-Apparatur umgeben. Über mir der blaue Himmel mit vorüberziehenden Wolken: ‚Von allen Seiten umgibst du mich, mein Gott‘, geht es mir heilend durch den Kopf und erreicht mein ‚Herz‘.
‚Mein Herz?‘, denke ich später. Dieses Herz, das einige Male gar nicht oder zu gering geschlagen hat?
Mein Herz, dieses biologische Wunderwerk braucht nach 76 Jahren Unterstützung. Ein implantierter Herz-Schritt-Macher soll diese Hilfeleistung erbringen und eine folgende Untersuchung zeigt seine Leistungsfähigkeit. Dieses Wunderwerk ‚Herz‘ also erhält Unterstützung durch beeindruckende Diagnose und Technik.
Und dieses Herz nun wird vom ‚heilenden Wort‘ der Zusage ‚Gottes‘ und ermutigender Zuwendung mich umgebender Menschen heil?
Ich sinne über den Zusammenhang von Körper, Seele und Geist (neu) nach. In die Zeit des Krankenhausaufenthaltes nehme ich ein Buch zur Hand, dass ich über den ‚Nikolaus‘ erhalten habe. Ich lese …
‚Unsere innere Blockade gegen die Hingabe unseres Eigenwillens kann nur durch eine Entscheidung überwunden wer-den. Es geschieht nicht durch ein Gefühl, eine bloße Idee oder einen Satz aus der Heiligen Schrift. Der Wille selbst, unser sturer, auf Selbstverteidigung ausgelegter Wille, muss als Allererstes zur Umkehr gebracht und hingegeben werden. Und das tut er nicht einfach so; normalerweise ist dazu Druck von unserem Partner, kranken Eltern, Kindern, unserer Gesundheit oder anderer Umstände nötig. Wir sehen den tief eingewurzelten Willen zur Macht, schon bei Zweijährigen und vor allem bei Teenagern, wenn das Leben gerade erst beginnt. Bis wir erwachsen, sind, haben wir die Kontrolle übernommen und versuchen, unser Leben in jeder nur erdenklichen Weise zu meistern. Tatsächlich zeigt unsere Kultur überhaupt keinen Respekt für Menschen, die nicht alles unter Kontrolle haben. Jeder von uns hat ein inneres Glücksprogramm, einen Plan, der uns Sicherheit, Wertschätzung und Kontrolle verheißt, und wir alle leben in seliger Unwissenheit darüber, dass dieser Plan nicht funktionieren kann, ohne dass wir immer mehr zu Kontrollfreaks werden. Irgendetwas muss unsere Grundabhängigkeit aufbrechen: die Abhängigkeit von unserer eigenen Macht und unseren falschen Glücksprogrammen. Ein geradezu inzestuöser Kreislauf des Ego: Ich will Macht haben – Ich will die Kontrolle übernehmen – Ich will immer recht haben – Ich bin wirklich mächtig! Ein Teufelskreis, gespeist aus dem Willen zur Macht. Er bringt keine glücklichen Menschen hervor, und die Menschen rundum werden auch nicht glücklich…‘
1) S. 50
Wie ist das mit der Aufgabe von Macht und Kontrolle in meinem Lebens? Ich erkenne den Druck, dem ich mich selbst und manchmal auch anderen aussetze: Natürlich immer mit dem Anspruch, ‚es gut zu meinen‘.
Franz v. Assisi formuliert: Wenn das Herz rein ist, antwortet die Liebe nur noch auf die Liebe und gibt sich nicht mehr viel mit Pflichten, Verpflichtungen, Forderungen und heroischem Zeug ab. Unterwerfung fällt leicht, wenn wir wissen, dass auf der anderen Seite nichts als Liebe und Barmherzigkeit auf uns wartet. 1) S.59.
Richard Rohr schreibt vom ‚Schattenboxen‘ als absolut notwendige innere Auseinandersetzung. ‚Unser Schatten ist nicht gleichbedeutend mit dem Bösen in uns. Er ist lediglich der Teil von uns, den wir nicht sehen wollen, unser inakzeptables Selbst, aus unserer Natur heraus entstanden, aber auch von uns genährt und ausgesucht‘. 1) S. 66
Die Bild-Erzählungen im Neuen Testament der Bibel erzählen von der ‚Heilung‘, die geschieht, wenn die Akzeptanz des eigenen Schatten-Daseins gelingt.
9 Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Beispiel:
10 Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11 Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.
12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
13 Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14 Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Lukas-Evangelium 18, 9-14
Es ist für mich wie ein ‚Erwachen‘ – ein Erwachen in die heilende Wahrheit meines Lebens.
Wo ich mich vertrauensvoll der verwandelnden Kraft überlasse, kann Druck weichen, komme ich in den ‚Fluss‘. Mein ‚Schatten-Dasein‘, mein Ehrgeiz, meine Durchsetzungs-Energie, zwanghafte Ziel-Vorgaben – ‚Das muss ich schaffen‘ – sind wie verwandelt, werden ‚umgedeutet‘. Integriert in mein Grund-Vertrauen erhalten meine ‚Schatten‘-Verhaltensweisen den Status, den sie brauchen. Wie ‚befreit‘ sind sie vom ‚Mehr-Sein-Müssen‘. Mein ‚anderes‘ Herz ist entlastet.
Ich schreibe in mein Tagebuch: Das ‚Körper-Herz‘ braucht Unterstützung, damit sich Vertrauen und Zuversicht in meinem Denken und Tun abbilden können. Ein Heilungs-Prozess an Körper, Seele, Geist hat begonnen. Abgewandelt erkenne ich: Mein körperliches Herz ist ‚Tempel des Heiligen Geistes‘ – Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt(1. Brief an die Korinther, 3,16). Es braucht die heilsamen Integrations-Prozesse in meinem ’spirituellen Herzen‘.
Ich grüße Euch herzlich!
1) Richard Rohr, ‚Zwölf Schritte der Heilung – Gesundheit und Spiritualität‘, Herder
Nach mehr als 5 Jahren wird das Aggregat erneuert. Erinnerungen sind belebt. Gern lese ich, was ich einmal schrieb und ich stehe zu allen ausgelösten Gedanken und Perspektiven. Es bewegt mich, dieses kleine ‚Werkstück‘ in den Händen zu halten, das dazu beigetragen hat, Dankbarkeit und Demut in meinem Bewusstsein Platz zu geben. Auch das teile ich gern mit Euch!
19. März 2019
2–31. Oktober 2023