Neues erkennen

Von | 28. Dezember 2014

GENAU HINSEHEN UND NEUES ERKENNEN

 

Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs. Mein Blick fällt auf eine alte, knorrige Weide, die eher tot wirkt. Ihr bizarrer von vielen Erfahrungen geprägtes Aussehen fasziniert mich für einen Moment. Ich fahre weiter.

Dann unterbreche ich und kehre zurück. Denn ich habe noch etwas gesehen, das aber nicht sofort im Vordergrund meines Bewusstseins gedrungen ist. Das ‚Alte‘, die Geschichte, die Gedanken an Vergangenes hatten zunächst mein Interesse gefunden.

Aber etwas Anderes hat sich ‚hineingehängt‘: Der Spross, der dort über dem Knorrigen, dem ‚Toten‘ sich aufrichtet.

 SprossWeide


 Siehe, ich will ein Neues schaffen; jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?

Prophet Jesaja 43,19a

LEIT-WORT FÜR DAS JAHR  2007


Das Vergangene hat ihre Faszination und manchmal neigt sie dazu, das Gegenwärtige zu übersehen. Die Chancen der Veränderung in jedem Neuen müssen sich in unserem Bewusstsein ‚durchsetzen‘ gegen das Beherrschende des Vergangenen. Bilder der Vergangenheit berühren immer auch Vertrautes und lassen uns deshalb verharren. Aufbrechendes Neues löst nicht sofort begeisternden Aufbruch aus, weil eben das Vertraute auch das Sichere ist.

Genau hinzusehen ist gleichsam Auftrag – nicht in eine gestaltlose Zukunft, sondern auf die bereits ‚abgehakte‘ Vergangenheit. Das gilt persönlich und gesellschaftlich gleichermaßen. Manche Veränderung in Reformbestrebungen erhüllt ihre Dynamik beim Betrachten dessen, aus dem sie sich entwickelt hat. In einem solchen Prozess des Betrachtens  liegt natürlich die Gefahr, beim Vergangenen stehen zu bleiben, es zu glorifizieren  und das Neue gar nicht in den Blick zu bekommen oder das Neue ohne Bezug zum Vergangenen nur für die Zukunft zu bewerten.

Mit dem Fahrrad unterwegs bin ich umgekehrt. Das ‚Neue‘ will erkannt sein. Das bedeutet in der Bibel immer mehr als gesehen werden. Erkennen geht in die Tiefe des Seins. Nach Duden ist es aus dem Althochdeutschen abgeleitet und meint innewerden, geistig erfassen, sich erinnern!

Der vokative Hinweis: ‚Jetzt wächst es auf – erkennt ihr’s denn nicht‘ will sagen: In dem ‚Abgeernteten‘ eures Lebens, dem Abgestorbenen bricht das Neue auf!

Das Foto als Illustration dieser Botschaft betrachtet, ermutigt, gerade diese nicht so attraktive Seite des Lebens genau in den Blick zu nehmen, weil eben aus ihr das Neue hervorbricht. Das ‚Neue‘ ist ohne ‚erkannte‘ Vergangenheit nicht erkennbar.

So wünsche ich allen ein gesegnetes ‚Siehe-Ich-Will-Ein-Neues-Schaffen-Jahr‘!


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