Sehnsuchts-Protagonisten

Von | 22. Dezember 2015

SEHNSUCHT NACH DEM PARADIES

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Die Erzählung, dass mit der Geburt dieses einen Kindes vor Jahrtausenden eine neue Zeit angefangen habe, die das Große klein und das Kleine groß werden lässt, die auf Frieden auf Erden hoffen lässt, diese Erzählung muss sich  immer wieder aufs Neue in unserer Gegenwart bestätigen.

Diese Erzählung trägt ein großes Geheimnis in sich. Und es ist dieses Geheimnis, das uns berührt – und wir wissen nicht warum. Die Erzählung bannt uns und entziehen können wir uns eigentlich nur – und das tun ja manche – mit: ‚Ein Märchen, zu schön um wahr zu sein’! Wirklich?

In dieser Erzählung spielen ja Menschen eine Rolle. Sie sind unterschiedlich und scheinen zunächst ja nichts wirklich gemeinsam zu haben. Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit. Es ist die Gemeinsamkeit, die uns auch heute beieinander sein lässt: Eine tiefe Sehnsucht. Nein, die tiefe Sehnsucht nach ‚Vereint-Sein mit Gott’, dem Ursprung allen Lebens!

Diese Sehnsucht treibt uns und manchmal ist sie sehr verborgen. Es ist die ‚Sehnsucht nach dem Paradies’.

Machen wir uns auf den Weg und holen wir uns die ‚Protagonisten der Sehnsucht’ in unser Bewusstsein!


Die erste Begegnung haben wir mit Augustus, dem Kaiser von Rom. Er, der Mächtige, der sich selbst als der Göttliche sah – dieser hatte auch die Sehnsucht, die uns heute treibt? Der auch?

Mächtige sind einsam. Sie fühlen sich selten wirklich ‚angesehen’. Sie möchten so gern angesehen sein. Wir kennen manche Biografie von Mächtigen, die einen frühen Mangel an Liebe und Aufmerksamkeit aufweisen. Häufig hatten sie nicht den Platz für ihr Herz. ‚Wenn ich einmal groß bin …’ mag begleitender und prägender Gedanke, aus Frustration sich entwickelt, sein. Später erkämpfen sie sich den Platz, der ihnen den Ersatz für das früh erfahrene Defizit geben soll. Die daraus resultierenden ‚Machenschaften’ machen vielen Angst und unterdrücken. Sie ‚gehorchen’ – dahinter auch Wut.

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Auch der Macht-Politiker Augustus hat seine Sehnsucht in Machtstreben kompensiert. Das war auch die Situation, von der die Erzählung berichtet. ‚Sie hatten keinen Raum’ für ihre Sehnsucht.

Darunter liegt das ‚große Weinen’. Manchmal denke ich, was würde bei den Machthabern unserer Zeit passieren, wenn sie ihrer manchmal unterdrückten ‚paradiesischen’ Sehnsucht Raum gäben? Die tiefe Sehnsucht des Kaisers Augustus lässt sich nur ahnen.


Begegnung mit Maria. Die Sehnsucht Marias dagegen ist bestechend klar. Sie spürt die Erfüllung, die in ihr wächst. Wenn wir ihren Lobgesang richtig hören, erfahren wir etwas von ihrer Sehnsucht. Da ist sie keineswegs die stille junge Frau – da ist eine revolutionäre junge Frau. Sie ist politisch und sie hat klare Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit. Gleichzeitig hat ‚Gott große Dinge an mir getan’! So drückt sich ihre Sehnsucht in engem Bezug ihres Glaubens aus.

Mit ihrer Schwangerschaft kommen die tiefen Fragen, die wir Männer manchmal nur ahnen können. Es ist so großartig wie unbegreiflich, dass in der Frau etwas wächst – schon mit der ersten Zell-Teilung wächst Unverwechselbares heran. Und diese Mutter kann sagen: Mein Kind – mein Gott!

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Hier hat Gott etwas in die Welt gesetzt. Das ist ANFANG!

Der immer neue Anfang. Immer wieder geht etwas los. Jetzt habe ich einen neuen befreienden Gedanken, der mich voran treibt …

Maria spürt die Erfüllung ihrer ‚paradiesischen’ Sehnsucht nach der unmittelbaren Nähe Gottes. Und alle, die neu beginnen, können dieses ‚Ich bin da’ Gottes spüren. Und manche erzählen davon.


Und wie ist es mit Josef? Wie sieht seine Sehnsucht aus? Er hat es ungleich schwerer. Er hat die vielen neben sich, die so kritisch hinterfragen müssen. ‚Was soll das’? ‚Warum das gerade mir’? Denen das ‚Warum?’ den Zugang über das ‚Wozu?’ verstellt.

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Da muss ein ‚Engel’ ran, der den Blick weitet. Und dann kann er sich überwinden. Das kennen wir so gut, wenn wir aus Sackgassen herausfinden. Da waren die guten ‚Engel’-Kräfte am Werk.

Josef hat die ‚Sehnsucht’, dass sich diese Überwindung ‚auszahlt’. Mehr abwartend. Das macht ihn präsent und verlässlich. Rand-Figuren in unserer Gesellschaft sind häufig sehr wache Menschen.

Es zeigt sich eine tiefe Solidarität in dem Paar Maria und Josef. Ihre sich unterschiedlich ausdrückende Sehnsucht macht sie füreinander verlässlich. Das ist das Geheimnis gelingender Partnerschaft!

Sie sind nicht ‚Spielball’ der Verhältnisse. Sie sind handlungsfähig, kritisch und nicht ängstlich. Sie können ihren heranwachsenden Sohn vertrauensvoll loslassen. Auch ein Ausdruck von gelebter Sehnsucht, die dem eigenen Handeln ‚Beine macht’!


Sehnsucht nach besseren Verhältnissen haben die Hirten. Die treibt sie um, beschert ihnen ‚Einschlaf‘-Schwierigkeiten und im entscheidenden Moment sind sie hellwach. Das ‚Lumpengesindel’ der Gesellschaft hat ein helles Ohr und die Kompetenz zum ‚empathischen Hören’. Das ist die Konsequenz, wenn nagende Sehnsucht ihren Platz haben kann, vielleicht sogar in der Gemeinschaft Sprache bekommen kann.

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Für viele sind sie die ‚Habenichtse’, die eher auf Kosten der Gesellschaft leben – diese ‚Sozial-Schmarotzer’. Und gerade die tragen diesen großen Reichtum der Sehnsucht in sich, der sie ‚bereit’ hält. ‚Kommt lasst uns gehen …’.

Das ist das Privileg der ‚Armen’, die der später erwachsene Jesus als ‚Selige’ adelt.


Begegnung mit Engeln. Sie treten an die Schnittstelle, wo sich die Sehnsüchte begegnen. Ja, die Engel, die ‚Boten‘ tragen die Sehnsucht ‚Gottes‘ in die Lebens-Realität. ‚Siehe, euch ist ein Kind geboren….’  ‚Gott‘ hat es in seiner Sehnsucht mit sich allein nicht mehr ausgehalten, bedeutet das.

Engel bringen (neu) in Bewegung. Wo die Sehnsucht ‚obenauf’ liegt, haben sie es leichter als dort, wo sie tief vergraben und vielleicht im eigenen Bewusstsein gar keine Rolle (mehr) spielt. Der gegenwärtige Papst scheint solch ein hart arbeitender ‚Engel’ zu sein, wenn er dem leitenden Kardinals-Gremium in Rom ‚Demenz’ in ‚ihrer spirituellen Sehnsucht’ bescheinigt.

Engel sind die ‚In-Bewegung-Bringer’. Die Hirten können gar nicht anders – sie müssen losgehen.

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Und immer dann, wenn jemand diesen unwiderstehlichen Drang spürt, in Bewegung zu kommen, wo es nur noch tödlichen Stillstand gibt, dann ist da mit Sicherheit ein Engel-‚Vertreter’ – schon in uns oder auf uns zukommend!


Merkwürdig, jetzt erst kommt im Erzähl-Duktus das Kind in den Blick. ‚Und sie fanden das Kind …’. Offensichtlich braucht es für seine Existenz die mehr oder weniger verdeckte oder offene Sehnsucht.

Das Kind in der Krippe ist deshalb ein so unverwüstliches Bild, weil fast jeder und jede in Bezug auf Kinder zu Mitleid und Empathie fähig ist.

Die aufgehenden Herzen angesichts eines Neugeborenen werden gerade da gebraucht, wo es um friede- und liebevollen Umgang geht. Das Wahrnehmen der bedürftigen Seiten bei anderen und bei uns selbst ist Produkt unserer Sehnsucht – wir nennen sie ‚soziale Kompetenz’, die heilen kann.

Es ist ‚kindliches Vertrauen’ und gleichzeitig ‚kindliche Sehnsucht’, dass es einen Willen, eine Liebe, einen Grund gibt, für den es sich zu leben lohnt, ohne erst etwas machen zu müssen und dabei inmitten aller anderen einen Platz zu haben.


In diesem weihnachtlichen Szenario sind wir, du und ich mit unserer Sehnsucht! ‚Der Weg führt zunächst nicht dach ‚draußen’, sondern nach innen’, heißt es in einem bischöflichen Weihnachtsbrief. ‚Lass es geschehen, wenn ‚Gott‘ in dir ankommt. Mit seinem Trost. Mit seiner Zärtlichkeit. Mit seiner Stärke. Mit seiner tiefen leidenschaftlichen Sehnsucht nach uns!


 Die Weihnachts-Erzählung nach Lukas
in verschiedenen Sprachen ist über diesen Link zu finden:

http://www.die-bibel.de
Viele Menschen leben unter uns, die sich vielleicht freuen, wenn sie die Erzählung in ihrer Sprache lesen oder hören …


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