Weihnachten 2005
In den ‚Vernarbungen unseres Lebens‘
Zeichen der Liebe erkennen
Lieber Freund, liebe Freundin!
Wie ist in den Unerträglichkeiten und Ungereimtheiten des Lebens die ‚Liebe Gottes‘ zu erkennen, fragst du dich? Und mit dieser Frage stehst du nicht allein! Sehnsucht und Skepsis drücken sich in deiner Frage gleichzeitig aus. Weihnachten, das ‚Fest der Liebe‘ soll Antwort geben und das Ambiente ist wie ‚Puderzucker‘, der über die Realitäten gestreut wird. So sehen manche Menschen ‚richtiges Weihnachten‘ nur in Verbindung mit der durch Schnee verzauberten Landschaft. Weihnachten soll verzaubern. Setzt ‚Tauwetter‘ ein, ist Weihnachten vorbei, ist alles wieder ‚entzaubert‘ und die Realitäten und das Unerträgliche werden manchmal noch schmerzhafter sichtbar.
Jesus kannte aus seiner Tradition eine andere ‚Reaktionsbildung‘ auf die Unerträglichkeiten des Seins – die Klage. Viele Gebete und Lieder aus der jüdischen Tradition enthalten die Klage und bis heute ist sie bei den Juden zum Beispiel in der ‚Klagemauer‘ ritualisiert. Auch Jesus war in diesem Sinne Klagender. Klagend betet er einen der Psalmen ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen ….‘, als es für ihn nicht mehr auszuhalten ist.
Seine Klage allerdings ist nicht resignierend, sondern von der tiefen Gewissheit durchdrungen, dass es nur einen einzigen Weg gibt, aus dem Dilemma von unerfüllter Sehnsucht auf der einen und nagender Skepsis auf der anderen Seite herauszukommen: Es ist die vertrauende Liebe. Für Jesus ist ‚Liebe‘ nicht ein Spruch, sondern heilende Lebenshaltung.
Alois Albrecht drückt es so aus:
Eines Tages kam einer, der hatte einen Zauber in seiner Stimme, eine Wärme in seinen Worten, einen Charme in seiner Botschaft.
Eines Tages kam einer, der hatte eine Freude in seinen Augen, eine Freiheit in seinem Handeln, eine Zukunft in seinen Zeichen.
Eines Tages kam einer, der hatte eine Hoffnung in seinen Wundern, eine Kraft in seinem Wesen, eine Offenheit in seinem Herzen.
Eines Tages kam einer, der hatte eine Liebe in seinen Gesten, eine Güte in seinen Küssen, eine Brüderlichkeit in seinen Umarmungen.
‚Weihnachts-Denkmal‘
Ein Baum, der Einblick in seine ‚Hohlheit‘ gewährt. Erstaunlich ist, dass er im Frühling immer wieder austreibt. Viele seiner ‚Artgenossen‘ bilden in der Nähe meines Zuhauses eine Allee, die wegen ihres Alters und ihrer beschriebenen Besonderheit ein ‚Natur-Denkmal‘ ist.
Für uns ist diese abgebildete Linde ein Weihnachts-‚Denkmal‘. Viele Ereignisse haben den Baum ‚ausgehöhlt‘ und wenn du ganz genau hinschaust, entdeckst du in der ‚Öffnung‘ ein Herz …. Die Narbe einer Verletzung trägt das Zeichen der Liebe.
Zeichen der Liebe erkennen wir tatsächlich häufig erst in den Verletzungen oder ‚Vernarbungen‘ unseres Lebens und erst bei genauem Hinschauen werden sie erkennbar.
Das ist Weihnachten. Auch die alten und keineswegs ‚heilen‘ Bilder der weihnachtlichen Alltags-Geschichte damaliger Zeit von Machtgehabe und Abhängigkeit wollen genau und ‚mit dem Herzen‘ angesehen sein, um Zeichen der Liebe zu erkennen.
Solche Sicht bedeutet immer einen neuen Anfang. Ich wünsche mir und dir solchen Blick nicht nur an Weihnachten, sondern an deinen ‚All-Tagen‘ des neuen Jahres.
‚Guten Rosch‘ rufen sich jüdische Menschen zu und meinen einen „guten Anfang„. In unserem Sprachgebrauch ist daraus ein „Guter Rutsch“ geworden – und den wünsche ich dir und mir von Herzen!
Jan-Peter
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