Zum Abschiedsgottesdienst für Opa 03.07.2023

Von | 2. August 2023

Vor acht Jahren habe mit meinem Opa für ein Filmprojekt ein langes Gespräch geführt. Es ging, im weitesten Sinne, um sein Leben. Dabei haben wir auch über das Sterben, dass da ja irgend- wann bevorstünde, und die Angst davor, bzw. eben das Keine-Angst-davor-haben, gesprochen. Es gab da so ein Zitat, mit dem ich ihn konfrontierte: »›Der Tod lächelt uns allen entgegen. Alles, was wir tun können, ist zurücklächeln.‹«

»Das ist ein schönes Zitat«, sagte er. »Das heißt dann ja eigentlich: Ja, ich nehme das an. Ich gehe eine Beziehung zum Tod ein, so wie man Beziehungen gestaltet, mit einem Sich-anlä- cheln.«

Da sprach die Neugier, das Sich-Einlassen. Wollen. Vertrauen.

In den letzten Monaten, im Krankenhaus, wieder zu Hause, war ich oft da. Seine Offenheit, seine Verletzlichkeit und auch sein Schmerz und seine Unsicherheit waren sehr bewegend. Als würde sich die eigene Haltung kurz auflösen. Wie ehrlich es doch ist, Angst zu haben. Und wie könnte man etwas anderes erwarten? Solange man sein eigenes Zuendegehen bewusst erlebt, gibt es für den Moment zunächst keinen Trost.

Diese letzten Monate begleitet und erlebt zu haben, konfrontiert einen auch mit sich selbst und der eigenen Haltung zur Endlichkeit. Vielleicht ist da auch Angst. Und dann kommt aber die Erkenntnis dazu, dass diese Angst, die sonst immer als Schutz gedient hat, nicht mehr schüt- zen kann.

Und wenn man dann selbst nicht gehen will, muss man trotzdem, ohne anders zu können. Rückblickend liegt vielleicht dort der Trost, in dem, dass man zwar hadert, aber schließlich weiß: eine eigene Entscheidung ist das doch nicht wirklich.

In jedem Fall sucht man als Außenstehender dann nach Einsichten, versucht, zu verstehen, was da eigentlich wirklich passiert. Irgendwie muss man sich ja dazu verhalten. Wenn man sich auf dieses Gefühl mal wirklich einlässt, dann ist das doch absolut schockierend.

Dieses Verstehen-wollen fordert nach Wissen. Und dann merkt man: da ist keines und da kann auch keines sein.

Was das Sterben betrifft, kann man dann also nur noch »glauben« – was auch immer. Als existentielle Notwendigkeit. Sich hingeben und vertrauen.

Das ist so unbegreiflich, in unserer eigenen Existenz seiend dann das Gegenteil davon den- ken zu sollen. Die eigene Un-Existenz. Was soll das denn sein. Auch wenn – natürlich – alle Erinnerungen, Einflüsse und Prägungen in Jedem erhalten bleiben und fortleben.

Aber eine Auflösung der neugierigen Haltung zu dem, was da kommt, ist da dann doch nicht. Da ist kein Widerspruch zwischen der existentiellen Angst und dem »Sich-trotzdem-Anlächeln mit dem Tod«. Oder, dieser Widerspruch ist so absolut und grundsätzlich, dass es auf jeden Fall absurd ist, ihn auflösen zu wollen. Den Widerspruch des Absurden, in dem die menschliche Existenz bis zu ihrem Abschluss zu Hause ist. Der die eigene Gestaltungsmacht irgendwo rela- tiviert, gleichzeitig aber zum Einzigen macht, was wir wirklich haben. Für sich selbst und für seine Umwelt.

»Die Wirklichkeit des Geistes zeigt sich stets als eine Gestalt, die seine Möglichkeit ver- sucht, aber die zerfließt, sowie er nach ihr greift«1.

Schmerz und Vertrauen gehen dann Hand in Hand und haben aufgehört, einander zu wider- sprechen.

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1 Sören Kierkegaard: Der Begriff der Angst