Zwölf Nächte

Von | 7. Dezember 2017

WEIHNACHTEN – DIE INFRASTRUKTUR GOTTES

So habe ich es irgendwo gelesen. Im Duden wird der Begriff Infrastruktur erläutert:
‚Organisatorischer Unterbau eines hoch entwickelten Systems‘.

Weihnachten bildet also den ‚organisatorischen Unterbau‘ der Beziehung zwischen Gott und  Mensch ab !?
Der Gedanke vermag zu faszinieren, alle Bilder, Vorstellungen,  Interpretationen, Sehn-süchte, Gefühle, Worte zum weihnachtlichen Geschehen als einen solchen  ‚Unterbau‘ zu  verstehen.

Und dieser Unterbau wäre Fundament meines Alltags?!

Ich nutze die alte Tradition der ‚Zwölf Heiligen Nächte‘  zu Impulsen zum  ‚Unterbau‘ und zum Nach-Denken …


Ein meditativer Begleiter
durch die
‚Zwölf Heiligen Nächte’

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Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

Jochen Klepper


EINSTIMMUNG
Es sind Generationen vergangen, seit es jenes Weihnachten gab, das dem Empfang eines großen und mächtigen Herrschers in der Hütte eines Knechts glich, zu dem die Hütte nicht mit Reichtümern gefüllt, wohl aber von den Zeichen alltäglichen, mit geringen Dingen beschäftigten Lebens gereinigt und gesäubert wurde.

 

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Es ist, als wäre das Mysterium verloren, überflutet von Licht und überlärmt von Worten, überrannt, überfahren untergegangen in der tätigen Leere. Im Gerede über das Fest. Und das Fest, das gestiftet ist, weil uns Kraft zugedacht war, ist wohl nur noch die Stunde, die anzeigt, dass die Kraft  zu Ende ist.

Vielleicht sind die Wochen des Advent in der Tat verloren, jedenfalls für diese Generation oder für eine Reihe von Jahren. Für uns bleibt wohl nur, die Stille dort zu suchen, wo sie unzerstört ist: In den Tagen danach.

Vielleicht kommt das Geheimnis zu uns nach dem Fest. wenn die Pflichten getan, die Lieder gesungen und die Kerzen abgebrannt. wenn das Jahr schließt und ein neues beginnt.

Vielleicht entdecken wir rastlosen Menschen von heute eine Folge von Nächten neu, die für viele Generationen vor uns von hoher Bedeutung waren: Die zwölf Nächte, deren Reihe am Christfest beginnt und bis zum Fest der Erscheinung Christi (Epiphanias-Fest), dem ‚Dreikönigstag’ reicht.

Vielleicht geben sie uns die Stunde, in der wir allein sind, allein mit einem Wort oder einem Bild. In der wir ein Gebet nachsprechen, und uns – vielleicht – ein wenig vom Geheimnis unseres Daseins, vom Geheimnis Gottes berühren lassen.

Jörg Zink, Einführung ‚Zwölf Nächte’, Kreuzverlag 1965

 

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Die bildreichen Überlieferungen schildern, wie ‚Gott‘ und unsere ‚irdische Realität‘ sich ‚vereinen‘.

‚Zwölf Nächte – nicht nur in dieser Zeit – könnn wir den daraus resultierenden heilsamen ‚Bedingungen‘ Raum geben.

Dafür einen gesegneten Weg!


ERSTE NACHT

Eine Frau hat zehn Drachmen und eine davon verliert sie. Zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet?

Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wieder gefunden, die ich verloren hatte.

Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.

Lukas 15,8-10

Die Bilder so verstehen?

  • Zehn Drachmen: Vollkommenheit.
  • Die Lampe: Sie spendet das Licht.  Licht steht auch für Erkenntnis.  ‚Innere Erleuchtung‘ lässt erkennen, was verloren ging und was eigentlich ich wirklich suche!
  • Das eine gefundene Geldstück: Die (zurück)gewonnene Vollkommenheit.
  • Haus: Die ganze Existenz.
  • Fegen und Suchen: Das ganze Leben in den Blick nehmen
  • Geteilte Freude: Ich bin wieder ganz (‚heil’)
  • Sünde: Aus der Ganzheit heraus gefallen.
  • Himmel: Gespürte Vollkommenheit.

HeiligesGanzes
Heiliges Ganzes

IMPULSEN NACHGEHEN

  • Ein tief verankerter Reflex in uns: Wenn etwas verloren geht, möchten wir es wieder haben. Herz und Kopf sind an das gebunden, das verloren ging. 
  • Beim Suchen wird vieles sichtbar, auch das Unangenehme!
    Nur so aber kann Rückkehr zur Ganzheit geschehen.
  • Was verloren ging, finde ich nur in meiner eigenen Existenz.
  • Ich bin ein ‚heiliges Ganzes‘, aus dem nichts heraus gebrochen werden darf.
    Das ist meine ‚Leidenschaft‘ für das Verlorene! 
  • Was habe ich in meinem Leben als Ersatz für Verlorenes gesetzt?
    ‚Ersatzmittel‘ führen häufig in die Abhängigkeit.
  • Was habe ich ‚zurückgelassen‘, um für mein Leben Wichtiges wieder zu finden? 
  • Trage ich die ‚Freude der Engel Gottes‘ als Sehnsucht in mir?

ZWEITE NACHT

1 Mose hütete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Als er die Herde tief in die Wüste hineintrieb, kam er eines Tages an den Gottesberg, den Horeb.
2 Dort erschien ihm der Engel des HERRN in einer lodernden Flamme, die aus einem Dornbusch schlug. Mose sah nur den brennenden Dornbusch, aber es fiel ihm auf, dass der Busch von der Flamme nicht verzehrt wurde.
3 „Das ist doch seltsam“, dachte er. „Warum verbrennt der Busch nicht? Das muss ich mir aus der Nähe ansehen!“
4 Als der HERR sah, dass Mose näher kam, rief er ihn aus dem Busch heraus an: „Mose! Mose!“ „Ja“, antwortete Mose, „ich höre!“
5 „Komm nicht näher!“ sagte der HERR. „Zieh deine Schuhe aus, denn du stehst auf heiligem Boden.“
6 Dann sagte er: „Ich bin der Gott, den dein Vater verehrt hat, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzusehen.

 Mögliche Deutung der Bilder

  • Schafe hüten: Mitten in unseren sich wiederholenden Alltags-‚Geschäften‘ …
  • Brennen: ….. geschieht plötzlich etwas Auffälliges. Plötzlich ‚brennt‘ es in uns.
  • Dornenbusch: Unscheinbares wird zum Augen-Merk.
  • Herangehen: Sich bewusst dem Geschehen stellen.
    Entweder lasse ich mich ‚locken‘ oder ich ‚pflücke weiterhin Brombeeren’….
  • Stimme hören: In dem Ereignis die Botschaft an mich entdecken
      
  • Heiliges Land ist im Alltag immer dort, wo wir uns von der ‚Stimme‘ erreichen lassen.

 

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‚Das muss ich mir aus der Nähe ansehen ..’

 

Impulse für die Stille

  • Ich bedenke meinen Alltag. Wie verlief mein Tag gestern zum Beispiel?
  • Ich entdecke Auffälliges in Unscheinbarem,
    erinnere mich zum Beispiel an ein Wort und frage: Was hat das in mir bewirkt?
  • Wann zuletzt ‚brannte es in mir‘?
  • Ich denke einem solchen Ereignis ’nach‘ und entdecke die ‚Nachhaltigkeit‘.
  • Wo ich mit ‚Gott‘ in den Dialog trete, ist ‚heiliges Land‘?

DRITTE NACHT

Advent ist die Zeit der alttestamentlichen Verheißungen. Sie sind der Nährboden der Erwartung. Weihnachten ist die ‚Zeit der Erfüllung’. Die Verheißungen haben sich nicht erfüllt. Kriege, gewalttätige Auseinandersetzungen, soziale Ungerechtigkeiten, Epidemien, Korruptionen, Diffamierungen nehmen zu; Angst und Orientierungslosigkeit scheinen zu regieren. Es ist die Zeit der Enttäuschung.

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Es gibt Versuche, sich aus diesem Dilemma zu entziehen:

  • Theologische ‚Deutung’: Die Erfüllung kann sich nicht ereignen, weil die Menschen ‚sündigen’. Sie sind an der Misere schuld. Diese Schuldzuweisung lässt die Verheißungen in die Moral abgleiten. Gott wird entlastet – der Mensch wird belastet.
  • Psychodynamische ‚Deutung’: Die Verheißungen werden auf die Innerlichkeit verschoben. Es geht nur noch um den Frieden im Herzen der Menschen.
  • Aus diesem Druck entzieht sich der Mensch. Als Reaktions-Bildung sucht er Zuflucht in einer Scheinwelt, die es so nicht gibt.  Weihnachtsbräuche mit Süßlichkeit und Innerlichkeit entgleiten angesichts der Realitäten ins Absurde.

Es stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten bleiben? Die Tradition Israels kennt die Klage gegen Gott und die drängende Erinnerung: Stehe zu deinen Verheißungen!

Es ist auch die Zeit des Aufschreis der Enttäuschten gegen das Schweigen Gottes in der Welt.  Nicht der Mensch wird zur Umkehr aufgerufen, sondern Gott wird zur Umkehr gemahnt! Da ist  kein Platz für die vielen Ersatzlösungen mit Zuckerbäckerei und  Märkten. Die Ware Weihnachten wird  entkleidet und der wahre Advent wird fast unerträglich sichtbar.

Jesus hat das Unerträgliche gelebt und daran gelitten. Mit seinem Leben hat er das ‚unerträgliche’ Verhalten Gottes niedergerungen und mit der Sehnsucht seiner ‚Brüder und Schwestern’  konfrontiert: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen …. So ist sein Leiden nicht weniger als Solidarität.

Er teilt mit uns die Sehnsucht und aus der erkämpften und unverbrüchlichen Einheit mit Gott gibt es die authentische Zusage: Heute, wo ihr meine Stimme hört und euch auf meine Kraft einlasst, findet ihr ‚Erfüllung’.

Eines Tages kam einer, der hatte einen Zauber
in seiner Stimme, eine Wärme in seinen Worten,
einen Charme in seiner Botschaft.

Eines Tages kam einer, der hatte eine Freude
in seinen Augen, eine Freiheit in seinem Handeln,
eine Zukunft in seinen Zeichen.

Eines Tages kam einer, der hatte eine Hoffnung
in seinen Wundern, eine Kraft in seinem Wesen,
eine Offenheit in seinem Herzen. 

Eines Tages kam einer, der hatte eine Liebe
in seinen Gesten, eine Güte in seinen Küssen,
eine Brüderlichkeit  in seinen Umarmungen …
Alois Albrecht


´VIERTE NACHT

 

Eine Psychologin schritt während eines Stress-Management Seminars durch den Zuschauerraum.

Als sie ein Wasserglas hoch hielt, erwarteten die Zuhörer die typische Frage:  ‚Ist dieses Glas halb leer oder halb voll?’  Stattdessen fragte sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht:  ‚Wie schwer ist dieses Glas?’ 

Die Antworten pendelten sich zwischen 200g bis 500g ein. 

 Die Psychologin antwortete: „Das absolute Gewicht spielt keine Rolle. Es hängt davon ab, wie lange ich es halten muss. Halte ich es für eine Minute, ist es kein Problem. Wenn ich es für eine Stunde halten muss, werde ich einen leichten Schmerz im Arm verspüren. Muss ich es für einen ganzen Tag halten, wäre mein Arm taub und paralysiert. 

Sie fuhr fort: ‚Stress und Sorgen im Leben sind wie dieses Glas mit Wasser. Denke über sie eine kurze Zeit nach und sie hinterlassen keine Spuren. Denke über sie etwas länger nach und sie werden anfangen dich zu verletzen. Wenn du über deine Sorgen den ganzen Tag nachdenkst, wirst du dich irgendwann wie paralysiert fühlen und nicht mehr in der Lage sein, irgendetwas zu tun.’ 

Es ist wirklich wichtig sich in Erinnerung zu rufen, den Stress und die Sorgen auch mal beiseite zu schieben. Tragt sie nicht in den Abend und in die Nacht hinein. 

Denkt daran, dass Glas einfach mal abzusetzen!

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Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt,
noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt.
Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung
und der Leib wichtiger als die Kleidung?

Seht euch die Vögel des Himmels an:
Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen;
euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?

Wer von euch kann mit all seiner Sorge
sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern?

 Matthäus-Evangelium, 5, 25-27


FÜNFTE NACHT


Die Geschichte vom Bohnen-Zählen  

Ein Graf wurde sehr alt. Er verstand es, sein Leben zu genießen. Er verließ niemals das Haus ohne eine Handvoll Bohnen einzustecken. Er tat dies, um die schönen Momente des Tages bewusst wahrzunehmen und sie besser zählen zu können. Für jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte; für alles, was die Sinne erfreut, ließ er eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern.

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Abends saß er zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er zelebrierte diese Minuten. So führte er sich vor Augen, wieviel Schönes ihm an diesem Tag widerfahren war und freute sich darüber.

Das Entscheidende beim Bohnen-Zählen ist: Es geht wirklich nur um das Schöne. Die Lichtblicke und die Glücksmomente werden gezählt. Es wird auf keinen Fall Schönes und Schweres gegen einander gestellt und gegeneinander aufgerechnet.

Gerade in Zeiten schlechter Nachrichten ist es wichtig, dass dann trotzdem ein, zwei Bohnen in die linke Tasche kommen und wir nach Glücksmomenten Ausschau halten und sie registrieren.

Es geht um das kleine Glück im Alltag, das man immer wieder braucht. Und wenn man damit achtsam umgeht, stellt sich im Laufe der Zeit so etwas ein, was man eine Kultur der Dankbarkeit nennen könnte.

Verfasser/in unbekannt

 

Dank Ich stelle mein Leben und was ich habe in Beziehung zu Gott
und damit in den großen Zusammenhang des Lebens.

Demut  Ich übernehme Verantwortung
und bewahre mich vor der Haltung alles sei machbar und verfügbar
.

Denken Ich reflektiere mein Handeln
vor dem Hintergrund der „Bewahrung der Schöpfung“.

Dienst Ich stelle mein Handeln in den Dienst für die Gemeinschaft
und trage so zu einer „Dienst-Gemeinschaft“ bei,
die Perspektive vertritt und die gegen einsame Alleingänge steht.


SECHSTE NACHT 

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Ich sitze hier vor dir, Herr
aufrecht und entspannt, mit geradem Rückgrat.
Ich lasse mein Gewicht senkrecht
durch meinen Körper hinunter sinken auf den Boden,
auf dem ich sitze.

Ich halte meinen Geist fest in meinem Körper.
Ich widerstehe seinem Drang, aus dem Fenster zu entweichen,
an jedem anderen Ort zu sein als an diesem hier,
in der Zeit nach vorn und hinten auszuweichen,
um der Gegenwart zu entkommen.
Sanft und fest halte ich meinen Geist dort,
wo mein Körper ist: hier in diesem Raum.

In diesem gegenwärtigen Augenblick
lasse ich alle meine Pläne, Sorgen und Ängste los.
Ich lege sie jetzt in deine Hände, Herr.
Ich lockere den Griff, mit dem ich sie halte,
und lasse sie dir.

Für den Augenblick überlasse ich sie dir.
ich warte auf dich – erwartungsvoll.
Du kommst auf mich zu,
und ich lasse mich von dir tragen.

Ich beginne die Reise nach innen.
Ich reise in mich hinein, zum innersten Kern meines Seins,
wo du wohnst.
An diesem tiefsten Punkt meines Wesens bist du immer schon vor mir da,
schaffst, belebst, stärkst
ohne Unterlass meine ganze Person.

Und nun öffne ich meine Augen, um dich in der Welt der Dinge und Menschen zu schauen.
Ich nehme die Verantwortung für meine Zukunft wieder auf mich.
Ich nehme meine Pläne, meine Sorgen, meine Ängste wieder auf.
Ich ergreife aufs Neue den Pflug.

Aber nun weiß ich,
dass deine Hand über der meinen liegt
und ihn mit der meinen ergreift.
Mit neuer Kraft  trete ich die Reise nach außen wieder an,
nicht mehr allein,
sondern mit meinem Schöpfer zusammen.

Dag Hammarskjöld.


 SIEBTE NACHT

Anfangen mit Beten

Ich habe oft zu tun mit Menschen, die mit der Kirche nicht viel anfangen können. Mit Gerhard zum Beispiel. Gerhard ist Ende 50. Er hat eine nette Frau und einen Sohn, der studiert. Gerhard redet nicht viel, nur wenn es sein muss. Er spendet was für die Kinderkirche, hält sich aber sonst fern von dem Kirchenbetrieb. Aber er sehnt sich danach, irgendwas zu tun, was gläubige Menschen tun.

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Neulich sagt er zu mir:
Thomas, ich will beten lernen, zeigst du mir das?
Ja, sag ich, ich zeig dir das.

Was muss ich tun?
Dasein, sag ich.

Wie – Dasein?
Ja, am besten du setzt dich irgendwo hin, immer an den gleichen Ort zur gleichen Zeit und bist einfach 10 Minuten da.

Und das reicht?
Ja, das ist es im Prinzip.

Also muss ich gar nichts lernen?
Nein, eigentlich nicht. Du musst anfangen und es tun.

Aber du weißt doch, ich glaub nicht so richtig an Gott.
Das ist egal. Wenn du beten willst, hat es dich schon erwischt. Wenn du betest, dann spielst du einfach: Gott wäre da und schaut dich freundlich an. Dann wartest du ab was passiert.

Und wo soll ich sitzen?
Wo du Ruhe hast und einen schönen Punkt, auf den du gucken kannst. Eine Kerze oder ein Bild.

Und gar nichts sagen?
Na, du redest ja sonst auch nicht viel. Das ist schon ok so. Am Anfang kann man vor sich hin sprechen: ‚Gott, ich bin da. Du bist da. Sieh mich an‘ Und am Schluss das Vaterunser.

In der Kirche betest du doch aber auch immer so fertige Gebete.

Ja, damit bete ich für die anderen, die lieber schweigen.

Ich hätte gern ein Gebet, das ich nachsprechen kann, so als Einstieg.

Ok. Sprich mir nach: Gott, du erforschst mich und du kennst mich, ich sitze oder stehe auf, so weißt du es. Gerhard spricht es nach.

Weiter: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.Sieh, ob ich auf bösem Wege bin und leite mich auf ewigem Wege. Gerhard spricht und nickt.

Warum nickst du?
Das ist gut, sagt er. Das stimmt.
Gut, sage ich, dann fang an.

Thomas Hirsch-Hülfel, Gottesdienst-Institut Nordkirche


ACHTE NACHT

Wo ist der Stern, der mir den Weg weist?

Der Stern ist das Symbol des Lichtes für alle. ‚Das Licht scheint in der Finsternis’, formuliert Johannes.

Sie sind losgezogen, suchten etwas Neues. Den Stern haben sie gesehen. Der hat ihre Sehnsucht belebt. Nach der Anzahl der Geschenke, die sie bei sich haben, sind es Drei. Sie stehen für alle, die sehnsüchtig auf der Suche sind.

Schaut in den Himmel!

Menschen schauen in den Himmel als Ausdruck der Sehnsucht nach ‚Gott’, dem alles Umfassenden.

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Die Gesellschaft ‚tickt’ gestresst. Wir könnten die Suche nach Orientierung gemeinsam leben. Wir müssen Suchende sein und bleiben.

Die Einladung an Abraham von Gott zu der besonderen Blickrichtung ist die Einladung an uns alle, die Kindschaft zu Gott neu zu leben.

Vieles Profane ist an die Stelle des Wunderbaren getreten. Was bleibt ist: Unzerstörbar und verlässlich ist, was dich trägt!

 Aus der biblischen Tradition

 

5 Er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst. Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein.

6 Abram glaubte dem Herrn und der Herr rechnete es ihm als Gerechtigkeit an.

Genesis 15, 5+6

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1 Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem

2 und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen….

Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.

10 Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.

Matthäus-Evangelium 2,1+2;9+10


NEUNTE NACHT

Mein Bekenntnis zur Selbstachtung

 

Ich bin ich selbst. Es gibt auf der ganzen Welt keinen, der mir vollkommen gleich ist.

Es gibt Menschen, die in manchem sind wie ich, aber niemand ist in allem wie ich. Deshalb ist alles, was von mir kommt, original mein ; ich habe es gewählt.

Alles, was Teil meines Selbst ist, gehört mir – mein Körper und alles, was er tut, mein Geist und meine Seele mit allen dazugehörigen Gedanken und Ideen, meine Augen und alle Bilder, die sie aufnehmen, meine Gefühle, gleich welcher Art: Ärger, Freude, Frustration, Liebe, Enttäuschung, Erregung;  mein Mund und alle Worte, die aus ihm kommen, höflich, liebevoll oder barsch, richtig oder falsch, meine Stimme, laut oder sanft, und alles, was ich tue in Beziehung zu anderen und zu mir selbst. Mir gehören meine Fantasien, meine Träume, meine Hoffnungen und meine Ängste. Mir gehören alle meine Siege und Erfolge, all mein Versagen und meine Fehler.

Weil alles, was zu mir gehört, mein Besitz ist, kann ich mit allem zutiefst vertraut werden. Wenn ich das werde, kann ich mich lieb haben und kann mit allem, was zu mir gehört, freundlich umgehen. Und dann kann ich möglich machen, dass alle Teile meiner selbst zu meinem Besten zusammen-arbeiten.

Ich weiß, dass es manches an mir gibt, was mich verwirrt, und manches, was mir gar nicht bewusst ist. Aber solange ich liebevoll und freundlich mit mir selbst umgehe, kann ich mutig und voll Hoffnung darangehen, Wege durch die Wirrnis zu finden und Neues an mir selbst zu entdecken …

Wie immer ich in einem Augenblick aussehe und mich anhöre, was ich sage und tue, das bin ich. Es ist original (authentisch) und zeigt, wo ich in diesem einen Augenblick stehe.

Wenn ich später überdenke, wie ich aussah und mich anhörte, was ich sagte und tat, und wie ich gedacht und gefühlt habe, werde ich vielleicht bei manchem feststellen, daß es nicht ganz passte. Ich kann dann das aufgeben, was nicht passend ist, und behalten, was sich als passend erwies, und ich erfinde etwas Neues für das, was ich aufgegeben habe.

Ich kann sehen, hören, fühlen, denken, reden und handeln. Ich habe damit das Werkzeug, das mir hilft zu überlegen, anderen Menschen nahe zu sein, produktiv zu sein und die Welt mit ihren Menschen und Dingen um mich herum zu begreifen und zu ordnen.

Ich gehöre mir, und deshalb kann ich mich lenken und bestimmen. Ich bin Ich, und ich bin o.k.

Virginia Satir, Psychotherapeutin

Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast.
Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke.
Als ich geformt wurde im Dunkeln,
kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde,
waren meine Glieder dir nicht verborgen.
Deine Augen sahen, wie ich entstand …

Aus Psalm 139, 14-16


ZEHNTE NACHT

‚Lasset uns nun gehen!’ So klingt es, wenn Menschen aufbrechen, wenn sie sich auf die Suche machen nach dem Heil. Der Weg vom Hirtenfeld zum Stall von Betlehem ist der Weg des Glaubens, wie ihn alle voll-ziehen müssen, die sich auf die Frohe Botschaft Gottes einlassen. Die Hirten machen uns vor. wie wir uns leiten lassen von Botschaften, die Heil verheißen. Die Geschichte der Hirten ist ein Beispiel dafür, wie Menschen, durch himmlische Botschaften bewegt, sich aufmachen und finden,was ihr Leben heil macht. Die Hirten werden nach Betlehem geschickt: Dieser Ort macht skeptisch. Jerusalem, das ist die Stadt

der Könige. Da gibt es Verlässliches: Mauern, Tempel, Priester. Aber was ist schon Betlehem? ‚Brothausen’. Trotzdem!  Betlehem ist der Ort, wo es möglich ist, in einem kleinen Kind eine große Zukunft zu erkennen und im Unscheinbaren das, was wirklich gelten wird. Betlehem ist der Ort, an dem Menschen durch ein Kind ins Vertrauen zu Gott gelockt werden. Von göttlichem Geist berührt, eilen die Hirten, weg vom Ort der Engelsbotschaft hin zum Ort des Heils. Und nur dieser Weg der Hirten kann auch unser Weg sein: ‚Der sieht Gott nimmermehr, noch dort noch hier auf Erden. der nicht ganz inniglich begehrt, ein Hirt zu werden‘, dichtet Angelus Silesius. Der Aufbruch der Hirten erinnert uns daran, dass unser Leben ein Unterwegssein ist um Heil; eine Bewegung des Glaubens.

Und dann mit den Hirten stehen bleiben an der Krippe von Betlehem: Der Dunstschleier oberflächlichen Lebens wird geöffnet für das geheime Wirken Gottes inmitten unserer Welt. Uns werden die Augen geöffnet, und wir erkennen. dass Gott da ist, mitten in dieser Welt als ein Mensch, wie unser einer. Und mit den Hirten erinnern wir uns daran, dass wir Gott nicht erkennen können ohne die Demut, uns zu beugen vor dem vermeintlich Geringen, das in Wirklichkeit das Antlitz Gottes trägt. Der Weg der Hirten, unser Weg zum Heil. Ein Weg aus der Bewegung hin zum demütigen Schauen.

Ulrich Fischer, Landesbischof i.R., Karlsruhe

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ELFTE NACHT

Lieber Mensch: Du hast es alles falsch verstanden!
Du bist nicht hier, damit Dir bedingungslose Liebe gelingt.
Die ist dort, woher Du kamst und wohin Du gehen wirst.

Du bist hier, um menschliche Liebe zu lernen.
Allumfassende Liebe.
Schmuddelige Liebe.
Schwitzige Liebe.
Verrückte Liebe.
Gebrochene Liebe.
Ungeteilte Liebe.

Durchtränkt vom Göttlichen.
Lebendig durch die Anmut des Stolperns.
Offenbart durch die Schönheit des Scheiterns.
Und das oft.
Du bist nicht auf die Welt gekommen, um perfekt zu werden.
Du bist es schon.
Du bist hier, um herrlich menschlich zu sein.
Fehlerhaft und fantastisch.
Und um im Erinnern wieder aufzuerstehen.

Aber bedingungslose Liebe? Erzähl mir nichts davon.
Denn wahre Liebe kommt OHNE Adjektive aus.
Sie braucht keine näheren Bestimmungen.
Sie braucht keine perfekten Umstände.
Sie bittet Dich nur, dass Du kommst.
Und Dein Bestes gibst.
Dass Du im Hier und Jetzt ganz da bist.


Dass Du leuchtest
und fliegst
und lachst
und weinst

und verwundest
und heilst
und fällst
und wieder aufstehst
und spielst
und machst
und tust
und lebst
und stirbst als unverwechselbares DU.

Das genügt.
Und das ist viel.

Courtney A‘ Walsh

 


 ZWÖLFTE NACHT

Gott hatte im Himmel gegen den Rat der Erzengel vorgeschlagen, auf der Erde selbst als Kind ‚zur Welt zu kommen’.

‚Das kann doch nicht gut gehen’, sagten die Erzengel. ‚Das geht auch nicht gut’, bekamen sie zur Antwort.

Die enge Verbindung von Krippe und Kreuz kam unsentimental zur Sprache.

Impulse

  • Wie berührt  das Bild vom ‚Kind in der Krippe’ ?
  • Stelle dir vor, die Krippe wäre leer. Das ist schwer auszuhalten. Vielleicht ist es auch deshalb nicht auszuhalten, weil wir die Hoffnung auf ein ‚erfülltes’ Leben mit dem ‚Kind’ verbinden?
  • Wenn Gott wie ein solches Kind ist, ausgeliefert und doch voller Vertrauen in das Leben, dann will ich mich daran halten.

Das Kind in der Krippe geht sehr schnell seinen Weg! Es lässt sich da nicht verhaften. Aus dem Kind Jesus wird ein Provokateur der Reichen und Frommen, einer, den man möglichst schnell los werden möchte. Aus dem weihnachtlichen ‚Ehre sei Gott in der Höhe‘ wird schon bald das ‚Ans Kreuz mit ihm!‘.

An diesem Menschen scheiden sich die Geister. Der ‚holde Knabe in lockigem Haar‘ wird aufwendig gefeiert; der, der ‚vom Berge‘ das Unbequeme einerseits, das wirklich Verändernde andererseits verkündet; der das Wesen Gottes lebt und dem Wort ‚Liebe‘ seine wirkliche Bedeutung gibt – dieser Mensch wird niedergebrüllt und schließlich ‚mundtot‘ gemacht.

Die leere Stelle im Krippenbild macht nachdenklich und stellt ernsthaft die Frage, welche Sehnsucht in dieser Geburtsnacht denn nun wirklich gestillt wird! Vielleicht hat das Kind die Krippe längst verlassen, ist unterwegs …?

Wir fassen keinen andern Gott als den,
der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam.
Ich fange bei der Krippe an.

Martin Luther


 AUFBRUCH

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Auf dem Weg in und durch das Neue Jahr
 

Gott spricht:
Ich will dem Durstigen geben
von der Quelle des lebendigen Wassers
umsonst.

Offenbarung des Johannes 21,6

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